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Glarner Businesspilot sagt: «Ich arbeite im schönsten Büro der Welt»

Daniel Müller fliegt mit einem Businessjet Geschäftsleute von Mollis aus über die Landesgrenze. Als gelernter Elektriker hätte er früher nie gedacht, dass er diesen Beruf einmal ausüben würde.

Südostschweiz
02.01.23 - 04:30 Uhr
Wirtschaft

von Loris Piva

Es holpert. Je weiter Daniel Müller den Leistungshebel nach vorne drückt, desto lauter wird es im engen Cockpit. Es dauert nicht lange, bis Müller mit 200 Stundenkilometern im Businessjet über die Molliser Piste rast, ehe er in einen steilen Steigflug übergeht. In 25 Minuten wird der Flieger in Stuttgart landen und nach einer kurzen Pause zurück ins Glarnerland fliegen. Auf der Höhe von Näfels fliegt der Jet schon etwa 500 Meter hoch, wodurch das Molliser Dorfschulhaus so klein wirkt, als stehe es im Swissminiature. 

Start in Mollis

«Ich höre von Kolleginnen und Kollegen, dass sie es oft mit schwierigen, komplizierten Passagieren zu tun haben.»

Daniel Müller, Businessjetpilot

Daniel Müller wohnt in Filzbach und arbeitet schon seit mehreren Jahren leidenschaftlich als Businessjetpilot. Er fliegt mehrmals pro Woche von Mollis in verschiedene Länder. «Ich bin schon ohne Zwischenstopp von Mollis nach Moskau oder Kokkola in Finnland geflogen», erzählt der 52-Jährige. Im schmalen Passagierraum sitzen meistens Geschäftsleute, die an eine Sitzung oder an ein Treffen müssen. «Ich habe aber auch schon Schauspieler und Politiker geflogen», sagt Müller. Auch Glarner Gäste seien manchmal dabei. Er habe Glück, dass seine Passagiere alle sehr freundlich und bodenständig seien. «Ich höre von Kolleginnen und Kollegen, dass sie es oft mit schwierigen, komplizierten Passagieren zu tun haben.»

Vom Stromer zum Piloten

Als er jung war, habe er nie gedacht, dass er eines Tages am Steuer eines Privatjets sitzen würde, erzählt Müller. «Ich habe Elektriker gelernt und als Allrounder im damaligen Hotel ‹Ahorn› in Braunwald gearbeitet.» In Braunwald sei er auch aufgewachsen und er habe im Winter als Skilehrer gearbeitet.  

Zur Fliegerei sei er durch seine Partnerin gekommen. Diese habe ihm in den Ferien vor 25 Jahren geraten, einen Probeflug mit einem Kleinflugzeug zu machen, erzählt Müller im Warte- und Ruheraum für Businessjetpiloten am Stuttgarter Flughafen. Er habe dabei gemerkt, dass ihm die Luftfahrt Freude bereite und ihm das Fliegen grossen Spass mache. Es sei die unendliche Freiheit, die er in der Luft spüre und liebe.

Schliesslich liess er sich zum Piloten für Kleinflugzeuge und zum Fluglehrer ausbilden und leitete verschiedene Flugschulen. Im Glarnerland sei er dann für mehrere Jahre als Flugplatzleiter tätig gewesen. Peter Kolesnik, ehemaliger Pilot und Gründer der Linth Air Service AG, habe ihn gefragt, ob er seine Nachfolge als Molliser Privatjetpilot antreten wolle. «Kein Luftfahrtbegeisterter würde zu dieser Chance Nein sagen», so Müller. Schliesslich liess er sich im Jahr 2012 entsprechend ausbilden. 

Arbeit am Boden und in der Luft

Nun fliegt Müller ein sieben Millionen teueres Flugzeug, das in Mollis stationiert ist und für sechs Passagiere Platz in Ledersesseln bietet. «Ich arbeite im schönsten Büro der Welt und habe immer eine wunderschöne Aussicht», schwärmt Müller. Obwohl es in Mollis noch stark bewölkt war, scheint nach zehn Minuten Flugzeit die Sonne ins Cockpit, das mit unzähligen Knöpfen und kleinen Bildschirmen bestückt ist. 

Das Flugzeug sei 15 Jahre alt und gehöre zwei Personen, erklärt Müller. Leute aus dem Netzwerk der Besitzer würden jeweils auf ihn zukommen und ihn fragen, ob er Zeit für einen Flug hätte. Die am Flugplatz Mollis ansässige Linth Air Service AG unterstütze ihn dann zum Beispiel mit der Betankung des Fliegers oder mit der Organisation von Caterings.  

«Nur im Jet zu sitzen, würde vielleicht irgendwann langweilig werden.»

Daniel Müller, Businessjetpilot

Den Rest plant und koordiniert Daniel Müller aber praktisch alleine. So kontrolliert er selbst, ob das Flugzeug genug Öl hat oder ob in der Kabine Wasserflaschen für die Passagiere bereitstehen. Er säubert auch den Innenraum und erledigt Papierkram wie Zollanfragen, Flugpläne oder Spesenabrechnungen. Das unterscheide seinen Beruf von dem der Linienpiloten: «Das Fliegen macht nur einen kleinen Teil meiner Arbeit aus», erklärt er. «Schliesslich würde es vielleicht irgendwann langweilig werden, nur im Jet zu sitzen.» Vorläufig wird es ihm während eines Fluges aber nicht langweilig: Im Minutentakt tauscht sich Müller per Funk mit der Luftraumsicherung aus und programmiert den Autopiloten mittels Drehknöpfen. 

Privatreisen sind gefragt

Als Müller nach der zweistündigen Wartepause das Eis und den Schnee von den Tragflächen wischt, starten und landen Dutzende Businessjets am Stuttgarter Flughafen. «Die Businessjetbranche ist gefragter denn je», sagt er. Der Hauptgrund dafür sei, dass Reisen immer komplizierter werde. So seien einige seiner Kunden früher mit Linienflügen von Ort zu Ort geflogen. Einreisebestimmungen und Sicherheitskontrollen seien aber, besonders seit dem Anfang der Coronapandemie, so kompliziert geworden, dass Geschäftsleute fürchteten, nicht rechtzeitig an ein Meeting zu kommen.

Für Passagiere eines Privatjets laufen die Prozesse am Flughafen einfacher und vor allem zügiger ab: Im Securitybereich steht keine Warteschlange, das Einchecken fällt weg und es fährt ein privater Shuttle bis wenige Meter vor das Flugzeug – zumindest ist das in Stuttgart so. «Leute, die sich das leisten können, wählen für Privatreisen lieber die teure, aber unkomplizierte Variante», sagt Müller. Eine teure Variante ist es auf jeden Fall: Ein Flug in einem Businessjet innerhalb Europas kann gut und gerne einen fünfstelligen Betrag kosten. 

Lange in fremden Städten

Anders als beim Kurzaufenthalt in Stuttgart kommt es auch vor, dass ein Kunde mehrere Tage an einem Ort bleiben will oder das Flugzeug in die Wartung muss. Während der Pause werde es ihm aber nicht langweilig, erzählt Müller. «Ich kann durch die Stadt laufen, an warmen Destinationen baden gehen oder Papierkram erledigen», sagt er. Er habe auf Ibiza auch schon ein Auto gemietet. Dass er meistens alleine sei, störe ihn nicht sehr. «Aber wenn ein zweiter Pilot dabei ist, geht die Zeit schon schneller vorbei.» Das Flugzeug lässt sich zwar von einem einzelnen Piloten fliegen, manche Kunden würden aber einen Co-Piloten wünschen.  

«Meine Freundin zeigt viel Verständnis dafür, dass ich manchmal tagelang nicht zu Hause bin.»

Daniel Müller, Businessjetpilot 

Dass er manchmal tagelang nicht zu Hause sei, sei nicht der Grund dafür, dass er keine Kinder habe. Er und seine Freundin hätten sich schon gegen Kinder entschieden, bevor er zum Businessjetpiloten wurde, sagt Müller. «Meine Freundin zeigt sehr viel Verständnis dafür, dass ich manchmal tagelang nicht zu Hause bin. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.» 

Herausfordernde Landung

Mit etwa einer Stunde Verspätung – in Stuttgart war die Landebahn wegen einer Schneeräumung gesperrt – steuert Müller den 14 Meter langen Jet über Uznach in Richtung Glarnerland. Während des Fluges könnte man meinen, man sässe in einem normalen Ferienflieger. Nahe an der Kerenzerbergstrasse und den Dächern der gelben Fabrik vorbei steuert Müller das Flugzeug in Richtung der Landebahn, um danach, anders als beim holprigen Start, sanft auf dem Glarner Boden aufzusetzen und stark abzubremsen. «Für ausländische Piloten ist der Flugplatz Mollis eine Herausforderung», so Müller. Dafür gebe es mehrere Gründe: Die Landebahn sieht man recht spät und in Mollis fehlt ein Instrumentenlandesystem. «Das bedeutet, dass Piloten auf Sicht landen müssen. Bei starkem Nebel muss man also nach Zürich ausweichen.» 

Im Landeanflug auf Mollis

Zu den Herausforderungen kommt die Einbettung des Flugplatzes ins Glarner Gebirge. Den Piloten, die die Landebahn nicht so gut kennen würden wie er, könne es beim Anflug schon einmal mulmig werden, wenn sie die Bergwände sähen, so Müller. 

Hobby: Gletscherfliegen

Im Gegensatz zu den ausländischen Piloten, die in Mollis landen müssen, wird es Müller nicht so schnell mulmig: In seiner Freizeit sei er ein passionierter Gletscherflieger, erzählt er. Er und seine Freunde besässen zusammen ein Flugzeug, mit dem man auf Eis landen kann. «Das ist supercool und eine der Königsdisziplinen in der Luftfahrt.» Einerseits möge er es, in den Bergen zu sein, und andererseits liebe er es, zu fliegen. «Beim Gletscherfliegen stört man niemanden und man kann entspannt auf dem Eis parkieren, einen Kaffee trinken und Schneeschuhwandern gehen», erzählt Müller. 

«In Santorini ist mir einmal ein Reifen geplatzt, das war ein wenig unangenehm.»

Daniel Müller, Businessjetpilot

Obwohl er beruflich und auch in der Freizeit sehr oft in der Luft sei, habe er noch keinen schlimmeren Zwischenfall erlebt. «In Santorini ist mir einmal ein Reifen geplatzt, das war ein wenig unangenehm.» So sei er für ein paar Tage auf der griechischen Insel gestrandet. «Aber es gibt Dümmeres, als in Santorini festzustecken», sagt Müller. «Aber so ist das bei meinem Beruf. Mit jedem Flug werde ich erfahrener.»

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