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Wie Frauenkreise neuen Aufschwung erleben

Aus der Mitte – Frauenkreise sind kein neuer Trend, sondern eine alte Tradition. Michaela Tuzzolino aus Seewis erzählt darüber.

Bündner Woche
08.03.24 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Verbunden: In einem Frauenkreis wird erzählt und zugehört, jede Frau kann ihre Themen einbringen.
Verbunden: In einem Frauenkreis wird erzählt und zugehört, jede Frau kann ihre Themen einbringen.
zVg

von Laura Kessler

«Vielleicht will sie etwas erzählen, vielleicht ist sie total glücklich, vielleicht weint sie aber auch einfach.» Michaela Tuzzolino sitzt bei einem Kaffee und erzählt. Sie spricht übers Frausein, über Themen, die Frauen beschäftigen, über das Sich-Mitteilen und auch übers Weinen. Michaela Tuzzolino ist vieles und weiss vieles – vor allem über und von Frauen. Sie ist Personal Trainerin, Yoga- und Pilateslehrerin, Atemcoachin, Sterbebegleiterin, sie veranstaltet «Motherblessings», bietet Beckenbodentraining an und organisiert Frauenkreise. Über Letztere wollen wir mehr erfahren. Wollen wissen, was es mit diesen uralten Zirkeln auf sich hat und warum das genau jetzt das ist, was viele brauchen.

Frauenkreise sind Zusammenkünfte von Frauen in einladender Atmosphäre, wo Frauen von sich und ihren Themen erzählen. Ein wertungsfreier Raum, wie Michaela Tuzzolino sagt. Eine Runde, in der jede Frau sich selber sein kann, erzählen kann, was sie beschäftigt und wo einfach zugehört wird. «In einem Basiskreis geben wir keine Ratschläge, trösten nicht, bieten keine Lösungen. Es geht darum, rauszulassen, was raus soll und gleichzeitig selber einen Weg zu finden, mit dem Problem umzugehen», erklärt die gebürtige Österreicherin, die mit ihrer Familie schon seit vielen Jahren in Seewis im Prättigau lebt.

Frauenkreise oder «Women Circles» sind etwas, das scheinbar seit Kurzem im Trend ist. Jedoch gibt es sie schon seit Jahrtausenden. «Wir haben nur vergessen, dass sie existieren», so Michaela Tuzzolino. Die Zusammenkunft von Frauen, von Seelenschwestern, der Austausch, vielleicht auch das gemeinsame Tanzen, Musizieren und Meditieren gehörten zu vielen alten Kulturen. Die Weisheit und das Wissen übers Frausein weiterzugeben, war Teil vieler Dörfer und Stämme.

Die Hüterin: Michaela Tuzzolino ist die Impulsgeberin im Frauenkreis.
Die Hüterin: Michaela Tuzzolino ist die Impulsgeberin im Frauenkreis.

Jene Frauenkreise, die Michaela Tuzzolino organisiert – sie nennt sich Hüterin oder Impulsgeberin – können unterschiedlich ablaufen. Auch werden unterschiedliche Themen behandelt, je nachdem, welche Frauen anwesend sind. Wichtig ist der Hüterin, dass die Atmosphäre angenehm ist und sich die Frauen auf gleicher Ebene begegnen. «Die Stärken jeder Frau sollen hochgehalten werden. Neid, Eifersucht oder Missgunst haben keinen Platz. Auch soll nicht verglichen werden. Wir sehen das Schöne, das Licht in jeder Frau und ehren das», sagt sie.

Wenn die Frauen bei einem Frauenkreis ankommen, verteilt Michaela Tuzzolino wohlriechende Öle. Die Frauen sollen mit all ihren Sinnen abgeholt werden, eintauchen und loslassen können. Oftmals werden dann Mantras gesungen, es wird meditiert und getanzt. «All das, was aus der Mitte kommt.» Michaela Tuzzolino zeigt auf ihren unteren Bauch. Der Beckenboden, die weiblichen Geschlechtsteile und die Blase, also der sogenannte Yoni-Bereich, sind zentrale Körperteile, die auf verschiedene Arten in einem Frauenkreis angeregt und angesprochen werden. Oft hätten Frauen mit Verletzungen zu kämpfen, körperlichen und seelischen, die auf diesen Bereich zurückzuführen seien.

Die Erkenntnis von immer mehr Frauen, dass ein Frauenkreis genau das ist, was sie brauchen, komme nicht von ungefähr, so Michaela Tuzzolino. «Wir leben mitten in einer Zeit – und das haben schon Propheten vorausgesagt – in der kein Platz ist für Verlogenheit und Verdecken. Wir sehen doch, wie viele Menschen krank sind und kaputt gehen am Alltag und das wollen viele ändern. Dafür ist jetzt die Zeit. Jetzt ist die Zeit für Liebe, die in den nächsten Jahren noch wachsen wird.» Sie möge es den Frauen von Herzen gönnen, die erkannt hätten, dass sie auch mal einfach loslassen, sie selber sein und die Weiblichkeit als etwas Schönes und Kraftvolles anerkennen dürften. «Dass sie erkennen, nicht immer nur geben zu müssen, auch wenn viele von uns das von klein auf indoktriniert bekommen haben», sagt Michaela Tuzzolino. Im Frauenkreis ist dafür Platz. Er soll Energie spenden und die Frage «Wie geht es dir?» darf ehrlich beantwortet werden. Frei und ungezwungen, das ist es, was in einem Frauenkreis zählt. Und so kann eine Verbindung zu sich selbst und den anderen Frauen, den Seelenschwestern, entstehen. Von der Mitte heraus, dort, wo die weibliche Kraft liegt.

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