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Die empathische Hundetrainerin und «ihre» Assistenzhunde

Nicole Ruffner bildet Assistenzhundeteams aus und benötigt dafür Einfühlungsvermögen für Mensch und Hund.

Bündner Woche
27.10.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

von Cindy Ziegler

Nicole Ruffner hat warme, braune Augen. Wenn sie lacht, lachen die Augen mit. Und wenn sie sich sorgt, liest man auch das aus ihren Augen. An jenem Tag im Oktober, als die 46-Jährige an ihrem langen, hölzernen Küchentisch in Maienfeld sitzt, strahlen die Augen. Freudig. Stolz. Und auch ein bisschen aufgeregt. Heute darf sie erzählen. Von ihrer Herzensaufgabe. Dem Ausbilden von Assistenzhundeteams. Seit rund zwei Jahren arbeitet die Maienfelderin als Assistenzhundetrainerin.

Hunde, die Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen im Alltag unterstützen (mehr dazu in der Box auf Seite 4), nennt man Assistenzhunde. Nicole Ruffner selbst ist schon früh auf den Hund gekommen, respektive zum Hund gekommen. Schon als Kind wünschte sie sich einen vierbeinigen Freund. Kaum war sie dann ausgezogen, zog eine spanische Strassenhündin ein. Seither gehört das Herz von Nicole Ruffner Hunden. Heute leben neben ihrem Mann und den zwei Kindern auch zwei Parson Russell Terrier im Haus in Maienfeld. Hinter Nicole Ruffner am Boden liegt denn auch ein Hundekörbchen. Die beiden Hunde sind jedoch nicht zu sehen. «Sie sind oben, sonst wäre hier Aufregung pur», sagt sie und lächelt.

«Ich glaube, mich hat schon immer fasziniert, was Hunde alles leisten können. Es gibt so viele Geschichten auf der Welt, die das erzählen. Ich finde es schön, zu sehen, zu was für einem Team man mit Hunden zusammenwachsen kann. Und auf wie viel Vertrauen dies Beziehung beruht.» Nicole Ruffner nimmt ein Fotobuch hervor. Es zeigt die Reise einer Klientin und ihrer Hündin. Oder eigentlich eine Erfolgsgeschichte. Dank der Hündin, die im Moment zur Assistenzhündin ausgebildet wird, kann die junge Frau mit psychischen Beeinträchtigungen wieder am Leben teilnehmen. Zur Schule gehen, zum Beispiel. Bild für Bild betrachtet Nicole Ruffner. Und mit jedem einzelnen strahlen ihre Augen mehr. Auf einem Foto blockt die Hündin ihr Frauchen und schirmt sie ab. Auf einem anderen bringt das Tier eine Tasche. Und auf dem Nächsten setzt es sich auf den Schoss der jungen Frau und gibt ihr so Sicherheit.

Das private Hunderudel: Nicole Ruffner mit ihren beiden Parson Russell Terrier.
Das private Hunderudel: Nicole Ruffner mit ihren beiden Parson Russell Terrier.

Ursprünglich ist Nicole Ruffner Fotografin. Vielleicht auch darum das Fotobuch. Schaut man sich im Wohnzimmer um, findet man viele Momentaufnahmen. Kinderlachen. Blumenbilder. Hundefotos. Bilder, die Gefühle einfangen und konservieren. «Mir ist es als Fotografin wichtig, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Ich interessiere mich für echte Momente und nicht für gestellte Fotos», sagt sie. Diese Empathie ist ihr auch bei ihrer Arbeit als Hundetrainerin wichtig. Das Einfühlungsvermögen für Hund und Mensch. Denn das sei essenziell bei dieser Arbeit, auch wenn sie sich in erster Linie auf das Wohlbefinden des Hundes fokussiere. «Es braucht auch Feingefühl für die Menschen. Und man darf keine Berührungsängste haben», erklärt sie.

Berührungsängste kennt Nicole Ruffner nicht. Schon als Kind wollte sie immer alles anfassen – tatsächlich und auch metaphorisch. Brauchte jemand Hilfe, war Nicole Ruffner da. Das helfe ihr jetzt in ihrer Arbeit. Mit den Hunden und den Menschen. Sie engagiert sich darüber hinaus auch für den Verein Herzensbilder und fotografiert in dieser Tätigkeit schwer kranke Kinder, Sternenkinder und ihre Familien. Klar, nehme sie diese Erlebnisse auch mit nach Hause. Genauso wie, wenn es Rückschritte bei der Arbeit mit den Assistenzhundeteams gibt. «Würde mich das nicht mehr berühren, dann müsste ich aufhören», sagt Nicole Ruffner.

Aber das, was sie den Menschen zurückgeben kann, spornt an. Dadurch, dass die Hunde zusammen mit ihren Menschen bei sich zu Hause ausgebildet werden, kann Nicole Ruffner individuell auf die Bedürfnisse eingehen. Denn, so erklärt sie, ein Assistenzhund hat keine vordefinierte Aufgabe. Was er können soll, wird individuell erarbeitet. Sachen vom Boden aufnehmen, Medikamente bringen, Sicherheit geben zum Beispiel. «Ganz wichtig ist mir zu sagen, dass grundsätzlich jeder Hund ein Assistenzhund werden kann. Denn wir trainieren den Hunden nichts an, was sie nicht ohnehin schon können. Vieles geht über die Nase.» Hunde können beispielsweise Stimmungsschwankungen riechen, bevor sie der Mensch überhaupt bemerkt. «Jedes Gefühl hat einen eigenen Geruch. Die Hundenase kann diese Gerüche unterscheiden. Die Tiere lernen immer im Kontext und verknüpfen. Wiederholt man die Verknüpfungen genug oft, weiss der Hund beispielsweise, was er bei einer Panikattacke machen muss.»

Nicole Ruffner spricht schnell und viel. Ein Erlebnis schliesst ans andere an. Rauszuhören ist bei allen Erzählungen die Hingabe, mit der die 46-Jährige sich dieser Arbeit annimmt. Zum Schluss des Gesprächs wollen wir noch mal auf den Hund kommen. Wenn Nicole Ruffner ein Hund wäre, welche Rasse wäre sie? «Ich glaube, ich wäre ein Mischling. Sicher mit Terrieranteil, denn ich bin hartnäckig, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe. Und wohl auch ein bisschen Golden Retriever, weil ich gefallen will.»

Über Assistenhunde

Ein Assistenzhund ist ein Hund, der nach Absolvierung einer speziellen Ausbildung zur Unterstützung eines Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Einschränkungen dient.
Der bekannteste der Assistenzhunde ist bestimmt der Blindenführhund. In der Schweiz werden die Blindenhunde in der Schweizerischen Blindenführhundeschule in Allschwil ausgebildet. Es gibt jedoch noch andere Arten von Assistenzhunden, die von Trainern und Trainerinnen wie Nicole Ruffner mit den Menschen ausgebildet werden, denen sie assistieren. 
Der Mobilitätshunjd unterstützt Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, also beispielsweise im Rollstuhl sitzen. Der Assistenzhund kann etwa Sachen vom Boden aufnehmen oder Kästchen öffnen und schliessen. Die andere grosse Gruppe bezeichnet die Warnhunde. Diese können beispielsweise bei Krankheitsbildern wie Diabetes, Epilepsie oder hochgradigen Allergien eingesetzt werden. Die Hunde können etwa Hilfe holen und/oder Medikamente bringen. Sogenannte Geleithunde werden bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen wie Sozialphobien eingesetzt. Die Hunde können beispielsweise Notausgänge anzeigen oder ihren Menschen eine bevorstehende Panikattacke anzeigen.
Im Gegensatz zum Assistenzhund wird der Thearpiehund zusammen mit seinem Herrchen respektive Frauchen ausgebildet, um verschiedenen Menschen in Einrichtungen wie Spitälern und Heimen oder im Privaten zu besuchen.

Mehr Infos findet ihr hier: www.swisshelpsdogs.ch

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