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Unsere liebsten Schweizer Spielfilme, die ihr gesehen haben solltet

Obwohl das Schweizer Filmschaffen im Vergleich zu Hollywood mit seinen Kassenschlagern bescheiden ist, hat es doch einige Filmperlen hervorgebracht. Wir haben unsere zehn Lieblinge zusammengestellt.

Jürg Abdias
Huber
28.07.22 - 13:26 Uhr
Kultur
In «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» verliebt sich der orthodoxe Jude Mordechai Wolkenbruch (Joel Basman) in eine Nichtjüdin. 
In «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» verliebt sich der orthodoxe Jude Mordechai Wolkenbruch (Joel Basman) in eine Nichtjüdin. 
Bild DCM Pictures und SRF

Die Schweizermacher (1978) 

Bild T&C Film AG

Der Film von Regisseur und Drehbuchautor Rolf Lyssy ist auch nach über 40 Jahren immer noch ein zeitloser Kassenschlager. Laut Schätzungen sah jede fünfte Schweizerin und jeder fünfte Schweizer den Film, als er damals 1978 ins Kino kam. Die Komödie nimmt die Schweizer Einbürgerungspraxis auf die Schippe und erzählt die alltägliche Tätigkeit der beiden engstirnigen und kleinbürgerlichen Kantonspolizisten Max Domer (Walo Luönd) und Moritz Fischer (Emil Steinberger), die einbürgerungswillige Ausländer überprüfen müssen. Dabei werden die Kandidatinnen und Kandidaten von den Beamten auf Herz und Lunge geprüft und müssen beweisen, dass sie schweizerischer als Schweizer sind. 

«Die Schweizermacher» ist mit fast einer Million Zuschauerinnen und Zuschauer der erfolgreichste Schweizer Film aller Zeiten.

Ernstfall in Havanna (2002)

Bild Vega Film, SRG – SSR & SRF

 

Dass die Schweizer Filmindindustrie auch lustig sein kann, hat sie 2002 mit dem Film «Ernstfall in Havanna» ein weiteres mal bewiesen. In der amüsanten Komödie von Sabine Boss geht es um den Botschaftsangestellten Stefan Balsiger (Victor Giacobbo), der einen US-Senator bei seiner Mission auf Kuba betreut. Durch seine Tollpatschigkeit und die Vorliebe des Senators für schöne Frauen entwickelt sich ein ernsthafter Zwischenfall, der sich zur zweiten Kubakrise verschärft. Nun liegt es an Balsiger, die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba wieder ins Reine zu bringen. 

«Ernstfall in Havanna» ist ein aberwitziger Film, der nur so mit satirischen Spitzen, spielfreudiger Situationskomik und Schweizer Klischees jongliert. 

Achtung, Fertig, Charlie! (2003)

Bild Impuls Productions & Zodiac Pictures International

 

Auch wenn «Achtung, Fertig, Charlie!» eine satirische Kombination aus «American Pie» und «Auf Kriegsfuss mit Major Pane» sein will und damit kläglich scheitert, hat der Film in den Archiven des Schweizer Films und in den Herzen der Schweizerinnen und Schweizer einen ganz besonderen Platz. So auch bei uns. Die Teenagerkomödie des Bündner Regisseurs Mike Eschmann schaffte es damals mit ihrem frisch-frechen Humor, trashigen Charme und dem Bezug zur Realität, den Nerv des Publikums zu treffen. 

In der Armeekomödie wird der Secondo Antonio Carrera (Michael Koch) während seiner eigenen Hochzeit in die Rekrutenschule einberufen. Um möglichst rasch den Dienst zu quittieren, will er sich mit der Rekrutin Michelle Buntschi (Melanie Winiger) in flagranti erwischen lassen. Sie ist nämlich die Tochter des Hauptmanns Reiker (Marco Rima). 

Mein Name ist Eugen (2005)

Bild Kontraproduktion AG & SRF

 

Die Schweizerinnen und Schweizer lieben Lausbuben. Seien es nun Globi, Schellen-Ursli oder Eugen und seine Freunde. Letztere haben 2005 im Film «Mein Name ist Eugen» eine ganze Nation zum Lachen gebracht. Im Werk von Michael Steiner reissen die vier Berner Lausbuben, Eugen, Wirgley, Bäschteli und Eduard, aus, um in Zürich einen sagenhaften «Lausbuben-König» aufzuspüren. Auf ihrer Reise werden sie mit einigen Überraschungen konfrontiert. 

Mit über 500’000 Zuschauerinnen und Zuschauer ist der Film, der auf den gleichnamigen Roman von Klaus Schädelin basiert, der dritterfolgreichste Schweizer Film. 

Grounding (2006)

Bild C-Films AG

 

Der nächste Film von Michael Steiner geht in eine deutlich ernstere Richtung. «Grounding» von 2005 schildert die Rettungsversuche des letzten Swissair-Chefs, die persönlichen Schiksale der Betroffenen und wie das Debakel das Selbstverständnis der Schweizer Bevölkerung erschütterte.  Je länger der Film dauert, desto weniger nimmt man den Übergang zwischen den auf Archiv basierenden nachgestellten und vollkommen fiktionalen Szenen wahr. 

Ein spannendes Wirtschaftsdrama über das Debakel, das 2001 die ganze Schweiz in Atem hielt. 

Die Herbstzeitlosen (2006)

Bild Catpics & SRF

 

Die Regisseurin und Drehbuchautorin Bettina Oberli schrieb das Skript während ihrer Schwangerschaft, und als das Schweizer Fernsehen dann noch auf der Suche nach Filmstoffen für sein Sonntagabendprogramm war, reichte sie es ein. Das SRF bekam es, sah aber im Skript mehr als nur eine Fernsehproduktion. Der Kinofilm war ein voller Erfolg, sorgte beim Schweizer Publikum für herzhafte Lacher und schaffte es auf den zweiten Platz der erfolgreichsten Filme des Landes. 

Nach dem Tod ihres Mannes fasst die 80-jährige Martha (Stephanie Glaser) neuen Lebensmut und eröffnet eine Boutique für Reizwäsche. Oberlis Erstwerk schafft es über weite Strecken hinweg, die Geschichte mit einem gewissen Tempo und Charme zu erzählen, balanciert zwischen Melancholie und Witz und hat mit den vier rüstigen alten Damen ausgezeichnete Hauptprotagonistinnen, die alle in Grund und Boden spielen. 

Heidi (2015)

Der Geiflenpeter (Qurin Agrippi) freut sich mit Heidi (Anuk Steffen) ¸ber ihre R¸ckkehr aus Frankfurt
Der Geiflenpeter (Qurin Agrippi) freut sich mit Heidi (Anuk Steffen) ¸ber ihre R¸ckkehr aus Frankfurt
Bild Studiocanal

 

Eine Schweizer Filmliste ohne das Mädchen aus den Bergen? Fast unvorstellbar. Heidi funktioniert auf der grossen Leinwand immer noch, das hat der gleichnamige Film von 2015 gezeigt. Über 500’000 Menschen strömten für das Werk von Alain Gsponer die Kinos. Das aufgeweckte Waisenkind Heidi wird von ihrer Tante Dete zum kauzigen Alpöhi auf die Alp gebracht. Dieser will sie von der Bosheit der Welt abschirmen. Heidi freundet sich mit Geissenpeter an und verliebt sich in die Bergwelt. Die Idylle findet ein jähes Ende, als ihre Tante wieder auftaucht und sie in die Grossstadt zurückholt. 

«Heidi» von 2015 ist eine moderne, berührende und anregende Verfilmung des Kinderbuchklassikers von Johanna Spyri. 

Die göttliche Ordnung (2017)

Bild Zodiac Pictures, SRG – SSR & SRF

 

Schweizer Hausfrauen gehen auf die Strasse, kämpfen um Emanzipation und Gleichberechtigung. «Die göttliche Ordnung» von 2017 thematisiert eines der grössten Schandflecke der Nation, dem späten Erwachen der Schweiz in Sachen Gleichberechtigung. Im Film geht es um die Schweizer Hausfrau Nora (Marie Leuenberger), die mit ihrem Mann Hans (Maximilian Simonischek) und ihren beiden Söhnen auf dem Dorf lebt. Plötzlich packt sie der politische Wille und sie setzt sich für die Rechte der Frauen ein. Ihr Engagement wird aber nicht überall gern im Dorf gesehen. Um etwas zu bewegen, braucht sie ausgerechnet die Unterstützung der Männer. 

Auch wenn das Ergebnis mittlerweile allen bekannt sein sollte, ist es trotzdem aufregend, den Weg dahin zu verfolgen. Der Regisseurin Petra Volpe ist mit «Die Göttliche Ordnung» gelungen, auch der jüngeren Generation die Thematik aufzuzeigen. 

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse (2018)

Bild DCM Pictures & SRF

 

Nach einer langer Pause meldete sich Michael Steiner mit seinem Werk «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» 2018 zurück. Der Film war ein voller Erfolg, wurde am Zurich Filmfestival frenetisch gefeiert und wird von Kritikern als einer der besten Schweizer Filmkomödien bezeichnet. 

Der junge Jude Mordechai Wolkenbruch (Joel Basman) hat ein Problem. Die Frauen, die ihm seine resolute Mutter als Heiratskandidatinnen vorsetzt, sehen alle so aus wie sie. Im Gegensatz zu Laura, seiner hübschen Mitstudentin. Leider hat das Ganze einen Haken: Sie ist eine Schickse, also eine Nichtjüdin. 

Besonders hervorzuheben ist das Zusammenspiel zwischen Mutter und Sohn. Die Zuschauerschaft wird Zeuge von Morderchais Auseinandersetzungen mit seiner streng religiösen Mutter und davon, wie er seiner Mitstudentin Laura näher kommt. Der Film ist kurzweilig und dialogwitzig und definitiv eine Empfehlung wert.

Platzspitzbaby (2020)

Bild C-Films AG

 

«Platzspitzbaby» ist der erste Spielfilm, der sich mit den offenen Drogenszenen der 1990er-Jahre in der Schweiz befasst. Der Film erzählt von der Liebe des jungen Mädchen Mia (Luna Mwezi) zu ihrer drogenabhängigen Mutter Sandrine (Sarah Spale). Nach der Auflösung der Drogenszene in Zürich zieht die elfjährige Mia mit ihrer Mutter in ein Dorf. Sie merkt aber schnell, dass ihre Mutter den Kampf gegen ihre Drogensucht verliert. 

Der Spielfilm von Pierre Monnard ist von der Kindheit Michelle Halbheers inspiriert, die 2013 eine Autobiografie mit dem Titel «Platzspitzbaby» veröffentlichte. Das Coming-of-age-Drama ist packend, erschütternd und aufwühlend zugleich. Abgerundet wird der Film durch die Leistungen der beiden Schauspielerinnen, ein gutes Drehbuch und die emotionale Musik. Das Ende ist dramatisch, zugleich aber auch hoffnungsvoll.

Jürg Abdias Huber ist Multimediaredaktor bei «suedostschweiz.ch». Der gelernte Kaufmann aus der Stadt Zürich hat Multimedia Production studiert und lebt im Herzen von Chur. Er arbeitet seit 2018 für die Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

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